Frühlings Erwachen zwischen Atlantik und Pazifik

Die Aufführungen von th2 in Montevideo, Santiago und Viña del Mar

Von EDWARD KÖNIG

Als theater2teatro im Oktober 1995 sein "Frühlings Erwachen" von Frank Wedekind an der Deutschen Schule Montevideo zeigte, war noch nicht klar, daß es ein zweites Mal Aufführungen im Herbst, also zu Beginn dieses Schuljahres geben sollte. Dabei will ich meinen geheimen Wunsch gar nicht verschweigen, nämlich mit th2 - nach dem Gastspiel 1994 in Buenos Aires - irgendwann einmal auch in Chile aufzuführen. Doch die finanziellen Fragen waren bislang ungelöst geblieben. Den Spielerinnen und Spielern oder deren Eltern mochte ich jedenfalls die Kosten nicht zumuten.

Aber schon ein paar Tage nach der Premiere war der Stein irgendwie ins Rollen gekommen. Weil kräftig daran gerüttelt wurde:

So war ich ermutigt, mit einem dritten Partner zu sprechen:

Noch in der letzten Woche der großen Sommerferien traf sich also th2 in der Zusammensetzung des vergangenen Jahres, um die Proben wieder aufzunehmen. Einige Szenen wurden geändert, andere poliert. Was dabei herauskam, konnten die Zuschauer dann am 23.März auf der Bühne der Deutschen Schule sehen, für mich persönlich unser bestes "Frühlings Erwachen".

Dann wurden die Bühnenaufbauten zerlegt und die Scheinwerfer verpackt. Und am 27.März stand pünktlich um 9 Uhr morgens der Reisebus bereit. Das große Foto zeigt th2 kurz vor der Abfahrt vor dem Eingang Pereira. Vierter von oben rechts, mit dem Plakat in den Händen, ist JULIO AMBROIS, der uns zum Abschied die besten Wünsche seiner Firma mit auf die Reise gab. Nach einer wunderschönen und aufregenden Reise nach Chile waren die Aufführungen am 29.März an der Deutschen Schule Santiago und am 31.März an der Deutschen Schule Viña del Mar ein großer Erfolg (siehe Kritik der der deutschsprachigen Tageszeitung " El Cóndor ", Santiago vom 5.4.1996).

Diese kulturelle wie menschliche Begegnung zwischen beiden Schulen hat - bei gleichzeitiger Durchquerung des Kontinents, vom Atlantik zum Pazifik, welch ein Symbolgehalt! - in allen beteiligten Menschen tiefe positive Spuren hinterlassen. Und am Tag nach der Rückkehr am 4.Mai bot uns Montevideo sogar sein eigenes Schauspiel, eine totale Mondfinsternis. "Der Mond verhüllt sein Gesicht, entschleiert sich wieder und sieht um kein Haar gescheiter aus" - so war er doch, der Schlußsatz aus Wedekinds "Frühlings Erwachen"! Mag das für den Mond gelten, wir aber waren "gescheiter", voller guter Erfahrungen, voller Leben.

Denn selten war die Bilanz einer großen Reise so rund: Die Fahrt durch Argentinien und über die Anden nach Chile war ein Erlebnis für sich, das Stück und unsere Aufführungen wurden vom Publikum offenbar mit Begeisterung aufgenommen, die Spielerinnen und Spieler wohnten bei ausnahmslos freizügigen und herzlichen Gasteltern, die Schulen gewährten uns alle mögliche Hilfe, Santiago zeigt sich uns ausnahmsweise ohne Smog, und in Viña ermöglichte uns die warme Sonne sogar ein kurzes Bad im eiskalten Pazifik. Und daß auf der Rückreise in den Anden einige den ersten Schnee ihres Lebens erleben durften, war noch ein zusätzliches Geschenk.

Es paßte eben alles zusammen. Und die Erlebnisse der Reise steigerten sich von Tag zu Tag. Und das ist selten. Deshalb vor hier aus unser großer Schlußapplaus an alle, die dieses seltene Erlebnis ermöglichten: allen voran an unsere Mäzene, natürlich an die Fahrer und Betreuer während der Reise, an die Kinder, die Eltern und das Personal der Deutschen Schulen in Santiago und Viña del Mar, ganz besonders an die dortigen Schulleitungen und - an unser Publikum!

Quelle: leitmotiv 13 vom 20. Mai 1996


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